Einer alten christlichen Tradition folgend wird in der Karwoche 2014 der Altar der St. Matthäus-Kirche im Kulturforum Berlin verhüllt. Jedoch nicht mit einem Hungertuch, sondern mit 3.500 Schuhputzboxen äthiopischer Schuhputzer in Form einer Kunstinstallation.
2. BERLINER GLANZWERKE - gemeinsam mit der Stiftung St. Matthäus, Kulturstiftung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz
13. bis 18. April 2014
Veranstaltungen im Überblick
St. Matthäus-Kirche im Kulturforum
Matthäikirchplatz - 10785 Berlin-Tiergarten
In kaum einem anderen Land der Welt gibt es so viele Schuhputzer bezogen auf die Bevölkerung wie in Äthiopien. In der Millionenmetropole Addis Abeba allein werden über 30.000 Schuhputzer geschätzt. Sie prägen das Stadtbild: mit einer Schuhputzbox ausgestattet, hergestellt aus gebrauchtem Verpackungsholz, in der sie die notwendigen Utensilien zum Schuhe putzen aufbewahren, sind sie überall anzutreffen.
Fast durchweg sind die äthiopischen Schuhputzer Jugendliche, seit einiger Zeit auch Mädchen, die sich mit den Einnahmen aus dem Schuhputzen ihren Schulbesuch finanzieren. Dies ist möglich, weil der äthiopische Schulbetrieb in drei Schichten aufgeteilt ist: morgens, nachmittags und abends.
Der Schuhputzer und seine Box heißen in Äthiopien Listro – nach dem italienischen Lustro: glänzend machen, Glanzwerke vollbringen. Im krassen Gegensatz zu diesem liebevollen Namen steht die gesellschaftliche Missachtung. Die Listros gehören zu den Paria der äthiopischen Gesellschaft. Deshalb hat sich der 2003 von dem ehemaligen Listro Dawit Shanko gegründete gemeinnützige LISTRO e.V. zum Ziel gesetzt, in erster Linie das gesellschaftliche Ansehen der Listros zu verbessern und ihre Arbeit zu würdigen. „Für mich Deine Liebe, Deine Anerkennung für meine Arbeit“, dieses Zitat eines Listro wurde zum Leitspruch der Initiative.
Kunst und andere kreative Disziplinen wurden zu einer Kampagne der Wertschätzung der Listros. Künstler waren die Ersten, die sich für die Listros engagierten. Über 150 Maler, Bildhauer, Designer, Filmer, Fotografen, Architekten, Musiker und Tänzer haben den Listros Werke ihrer Kunst gewidmet. Mehr als 50 Ausstellungen in Äthiopien und Deutschland, 150 Schuhputzerstände als Stadtmöbel in Äthiopien, ein Architekturwettbewerb, 10 Ideenwettbewerbe für Jugendlichen, 2 Bücher, ein Kinofilm über fünf Schuhputzer in Addis Abeba, eine Magisterarbeit über die Listros in Äthiopien und eine Masterarbeit über die Lebensbedingungen der Listros in Addis Abeba sind die wichtigsten Aktivitäten der letzten 10 Jahre.
Für die 1. BERLINER GLANZWERE 2010 - eine Ausstellung in den Potsdamer Platz Arkaden - stellten 3.500 Listros in Addis Abeba ihre alten Listro-Boxen im Tausch gegen neue Boxen zur Verfügung. Dabei verfassten sie auch „Briefe an die Welt“.
Als MOVING BOXES sind diese „Briefe an die Welt“ zusammen mit Schuhputzkästen in verschiedenen Installationen weitergezogen: 2010 von Addis Abeba über Dschibuti, Hamburg, Polen zu den Potsdamer Platz Arkaden in Berlin. Von dort als ständige Installation in der GALERIE LISTROS, 2013 zur Kunstmesse Berliner Liste und nun zur Passionszeit in die St. Matthäus-Kirche. Sie ist die Kunst- und Kulturstiftung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz.
Die Verhüllung des Altars der St. Matthäus-Kirche ist das Kunstwerk der 2. BERLINER GLANZWERKE. Die Kunstinstallation und die Ausstellung der „Briefe an die Welt“ bringen die äthiopischen Jugendliche hier in Berlin „zum Sprechen.“ Zu der Eröffnungsveranstaltung liest Benno Fürmann aus den "Briefen an die Welt"
Die GALERIE LISTROS hat zahlreiche Kunstausstellungen gezeigt, einige auch in Addis Abeba. Höhepunkte waren die Besuche der Bundespräsidenten Horst Köhler und Christian Wulff. Köhler notierte ins Gästebuch: „Wir alle können Listros sein, wagen wir es“. Wulff wagte es und bezeichnete sich bei der Eröffnung der der Ausstellung 1. BERLINER GLANZWERKE in den Arkaden am Potsdamer Platz als Listro, weil er sein erstes Geld als Achtjähriger mit dem Putzen von Windschutzscheiben verdient hat. Wulff bezog sich in seiner Rede auch auf den ehemaligen brasilianischen Präsidenten Luiz Inacia Lula da Silva, der in seiner Jugend Schuhe putzte, wie auch der bolivianische Präsident Evo Morales oder Malcom X und der äthiopische Sänger Mahmoud Ahmed.
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