Stolze Schuhputzer

Gerhard Thomas

Ein Kunstprojekt erzählt von Jugendlichen aus Äthiopien und ihrer Arbeit

»Berliner Glanzwerke« heißt eine Ausstellung, die am Palmsonntag in der Berliner Matthäuskirche (Kulturforum) eröffnet wird. Mit 3500 Schuhputzboxen wird der Altar verhüllt sein. Getragen wird die Kunstinstallation von dem Verein Listros, der die Besitzer der Boxen, äthiopische Jugendliche und Kinder, ins Blickfeld rückt.

Initiiert wurde die Ausstellung von Dawit Shanko, einem Äthiopier, der in Berlin lebt. Einst war er selbst Schuhputzer in Addis Abeba. Das teils mitleidige, teils verachtende Ansehen seiner einstigen Zunft trieb ihn um. 2003 gründete er zusammen mit anderen, vor allem afrikanischen Künstlern, den gemeinnützigen Verein Listros, um eine Plattform für die Unterstützung äthiopischer Jugendlicher zu haben. »Listro« heißen die Kinder. Das ist amharisch und bedeutet so viel wie Schuhputzer, wörtlich »Glanzbringer«, Kinder, die Schuhe zum Glänzen bringen. Vor allem mit Kunstprojekten in Deutschland und Äthiopien will der Verein eine Brücke zwischen den beiden Ländern schlagen, und das ist ihm in seiner etwas mehr als zehnjährigen Geschichte beeindruckend gelungen. Ziel der Listros-Kampagnen in Äthiopien ist es, die Zivilgesellschaft zu mehr Solidarität und sozialer Verantwortung gegenüber der Jugend zu ermuntern. Das geschieht in Ausstellungen, die einen Perspektivwechsel veranschaulichen. Man muss die Listros nicht bemitleiden, wie es die reichen Europäer tun, sagt Shanko. Man muss sie auch nicht als hausierende Störenfriede diskriminieren und verfolgen, wie es die äthiopischen Behörden gern tun. Man solle sie respektieren als Jugendliche, die durch eigene Arbeit sich und ihre Familien ernähren und überdies das Schulgeld verdienen, um überhaupt eine Schule besuchen zu können.

Schon 2010 war die Veranstaltungsreihe »Glanzwerke« in den Arkaden am Potsdamer Platz in Berlin erfolgreich. Auch damals wurden aus alten Schuhkisten, die der Verein den Listros gegen neue getauscht hatte, Kunstwerke gebaut. Die Listros hatten dazu »Briefe an die Welt« geschrieben, die dokumentiert wurden. Ein Zehnjähriger schrieb: »Heute sind wir Listros, morgen die Ernährer der Nation.«

Quelle: Publik-Forum, kritisch - christlich - unabhängig, Oberursel, Ausgabe Nr. 7/2014