Meine Arbeit mit dem „Berchuma“ begann schon, als ich Listros e.V. noch gar nicht kannte. Ich leitete damals einen Workshop am Department of Fine Arts an der Addis Abeba University zum Thema „Ästhetik des Einfachen“. Dort in Addis Abeba fiel mir der Berchuma zum ersten Mal auf, als ich mir auf dem Arat Kilo die Schuhe putzen ließ. Erst war das ein seltsames Gefühl für mich, doch es war so eine alltägliche Szene, dass dieses Gefühl schnell der Neugier Platz machte. Mir fiel der kleine Hocker – der Berchuma – auf, auf dem der Listro saß, der mir die Schuhe putzte. Und der Hocker ist mir danach nicht mehr aus dem Kopf gewichen. Letztendlich ist er „bloß“ ein Gebrauchsgegenstand, aber er ist auch wie ein stiller Wächter, ein wachsamer Gehilfe, der den Listro begleitet.
Der Philosoph Giorgio Agamben schrieb in seinem Buch „Profanierungen“ über jene „Gehilfen“ des Alltags, meist unscheinbare Gegenstände, die aber dennoch einen ideellen Wert entwickeln, weil eine Patina des Benutzens entstanden ist. Diese Art des ideellen Wertes fokussiere ich zum Thema Berchuma seit der Begegnung der Listros auf dem Arat Kilo in vielen Papierarbeiten.
Während des Workshops mit äthiopischen Studenten bekam ich durch einen regen Austausch neue Ideen für meine eigene Arbeit, von denen ich noch heute zehre.
Mir ist aufgefallen, wie virtuos die Studierenden vorort aus komplexen philosophischen Gedanken einfache und einleuchtende Arbeiten produzierten und aus trivialen Alltäglichkeiten einen „Zauber“ entstehen ließen - ganz so, als führten sie alle eine kleine poetische Schachtel mit sich, die mit Güte und Anmut gefüllt ist.
Nach diesem Workshop entstand am Lake Langano mein erster blauer Berchuma aus kolorierter äthiopischer Zeitung. Und im Nachklang war der Workshop und die gegenseitigen Erfahrungen für mich erneut ein großes Zeichen, wie viel Poesie und Würde in den einfachsten Gegenständen steckt, wenn man eine Korrespondenz mit den Dingen und den Atmosphären um uns herum zulässt.
Ungefähr ein Jahr später kam dann jener „Zufall“, den man nicht als Zufall einschätzt. Ich lernte durch Lupe Godoy Listros e.V. und Dawit Shanko kennen. Meine ganzen Erinnerungen an den Workshop lebten erneut auf. Szenen wurden wieder lebendig. Ich erzählte Dawit meine Geschichte von dem Berchuma und fortan wurde und blieb er mein Thema für LISTROS e.V.